„Müssen uns partnerschaftlich auf gemeinsame Ziele besinnen“
Frau Dr. Gamillscheg, was hat Sie persönlich bewogen, künftig Lobbyarbeit für die Tischler und Schreiner in Deutschland zu machen?
Nachdem ich vor über zwanzig Jahren eher zufällig beruflich in der Verbandslandschaft der Holzbranche gelandet war, habe ich diese Branche sehr schätzen und auch lieben gelernt. Bereits während meiner Tätigkeit als stellvertretende Geschäftsführerin beim Gesamtverband Deutscher Holzhandel gab es viele Schnittstellen zum Tischlerhandwerk. Es ist für mich ein glücklicher Umstand, dass ich meine Kenntnisse, Fähigkeiten und mein Netzwerk jetzt beim Bundesverband Tischler Schreiner Deutschland weiter einbringen kann.
In welche Richtung wollen Sie den Bundesverband steuern?
Wir stehen alle vor riesigen Herausforderungen. Es kann sich keiner mehr leisten, alles alleine anzupacken. Wir müssen unsere Kräfte bündeln, Synergien schaffen und uns vor allem partnerschaftlich auf unsere gemeinsamen Ziele besinnen. Ich sehe unsere Aufgabe als Bundesverband darin, dass wir gemeinsam mit unseren Landesverbänden die großen Potenziale der Innungen stärken, moderieren und Impulse setzen.
Wie bewerten Sie die stetig abnehmende Zahl der Schreinerbetriebe in Deutschland und wie können Sie als Bundesverband entgegensteuern?
Die Konzentration der Betriebe am Markt ist ein Phänomen, das viele Ursachen hat. Der Bürokratiewahnsinn belastet das Handwerk und hält die nächste Generation davon ab, Unternehmen zu übernehmen oder zu gründen. Hier gilt es, die Probleme weiter unermüdlich an die Politik zu adressieren. Es gilt, mit konkreten Vorschlägen und nicht mit Schlagworten für praxisgerechte Lösungen zu werben.
Aber auch die demografische Entwicklung und der Fachkräftemangel sind Ursachen, die den Schwund der Tischler- und Schreinerbetriebe in Deutschland verursachen. Deshalb gilt es, die Betriebe dabei zu unterstützen, attraktive Arbeitgeber zu sein. Das aktuelle TSD-Projekt „Ergonomie der Werkstatt“ setzt genau hier an. Aktuell werden 16 Projektbetriebe darin beraten, wie sie ihre Werkstätten ergonomisch optimal gestalten könnten, um nicht nur eine „Wohlfühlatmosphäre“ für die Mitarbeitenden zu schaffen, sondern auch deren Gesundheit zu erhalten. Wir freuen uns sehr, dass wir bereits starke Projektpartner dafür gewinnen konnten. Ein absolut zukunftsgerichtetes Projekt, das sich im nächsten Jahr auf der LIGNA in Hannover mit einer Musterwerkstatt dem breiten Fachpublikum präsentieren will.
Wie zu hören ist, suchen Sie erweiterte Finanzierungsmöglichkeiten für den Bundesverband. Können Sie an dieser Stelle ein paar Beispiele nennen?
Spontan fallen mir hier mehrere Hebel ein, die aber natürlich alle auf ihre Umsetzbarkeit genau zu prüfen sind. Daher bitte auch um Verständnis, dass wir mit neuen Ideen erst an die Öffentlichkeit gehen, wenn wir sie seriös geprüft haben. Die Finanzierung unserer Projekte und unserer Arbeit ist ein großes Thema, das alle Umsicht und Aufmerksamkeit erfordert. Aber wir werden die Arbeit, sowohl im Verband als auch in der GmbH, durch unsere bereits begonnenen Projekte wie zum Beispiel „Ergonomie der Werkstatt“ weiter sichern.
Wo sehen Sie das Tischler- und Schreinerhandwerk in fünf Jahren?
Der Klimawandel, die geopolitischen Krisen und die aktuell schwierige wirtschaftliche Lage in Deutschland lassen das Tischler- und Schreinerhandwerk nicht unberührt. Dennoch bin ich optimistisch. Unsere Branche arbeitet mit einem der ältesten und nachhaltigsten Werkstoffe der Welt. Die Tischler und Schreiner verkörpern eine hohe Handwerkskunst, die sich ständig innovativ weiterentwickelt und mit den Anforderungen der Zeit geht. Deshalb ist mir um das Gewerk als solches überhaupt nicht bange. Wirtschaftlich müssen sich die Betriebe auf ein anspruchsvolleres Jahr 2024 einstellen, als sie es in den letzten Jahren gewohnt waren. Der Bauwirtschaft ist aktuell der Motor ausgegangen – aber der wird wieder anspringen. Fest steht, dass wir mehr Wohnraum brauchen – sowohl als Neubau wie auch durch Sanierung im Bestand. Und damit ist auch die Zukunft des Tischlerund Schreinerbetriebs gewährleistet.
Die Rahmenbedingungen machen mir Sorgen, für die gilt es in den nächsten Jahren stetig zu kämpfen, um sie zu verbessern. Aber dafür bin ich ja angetreten und freue mich auf die Arbeit!