Nach der Einäscherung zur Einband-Partie
Peter Schneider hat einen schwierigen, schweren und emotional anstrengenden Beruf. Der 60-Jährige ist Bestattermeister in Saarbrücken- Burbach und seit 2014 Vorsitzender der Bestatterfachgruppe in der Fachinnung Holz und Kunststoff Saar. Zum Ausgleich für den fordernden Job spielt der streitbare Funktionär, der kein Blatt vor den Mund nimmt, Billard. Nicht Pool oder Snooker, wie in der Kneipe, sondern „richtiges Billard“, wie Peter Schneider sagt, nämlich Karambol, Cadre, Drei- oder Einband sowie freie Partie.
Für viele seiner Kollegen böhmische Dörfer, für Peter Schneider jedoch eine Leidenschaft, die ihn schon früh gepackt hat: „In unserer Verwandtschaft hatte jemand eine Wirtschaft und im Nebenzimmer stand ein Billardtisch. Mir wurden schon die Windeln auf dem Billardtisch gewechselt und so kam es, dass mich das Spiel schon als kleiner Bub fasziniert hat.“ Und seither hat er es weit gebracht – für einen Hobbyspieler wohlgemerkt. „Sechsmal war ich mit der Mannschaft Saarlandmeister, 2015 hat es gar für einen Solotitel in der freien Partie gereicht, letztes Jahr wurde ich Dritter.“ Mit welcher Mannschaft eigentlich? „Ich spiele seit 1972 im Verein, bis 1987 in Burbach und seit 2015 für den BC 1911 Großrosseln. Dazwischen gab es eine längere Pause, in der ich lieber mit meiner Frau Ursula ausgedehnte Wohnwagen-Touren gemacht habe, als das Queue zu schwingen.“
Peter Schneider erzählt, dass es früher in „jedem Kuhkaff“ einen Billardverein gegeben hat, inzwischen aber nur noch neun Vereine mit rund 1.000 Mitgliedern im Saarland aktiv sind und dass die saarländischen Ligen mit französischen Klubs und Vereinen aus der Pfalz „aufgefüllt“ werden musste: „So fahren wir an Wochenendspieltagen auch mal nach Pirmasens, nach Saargemünd oder Kleinrosseln, aber das ist okay.“ Warum der Aktivenschwund? „Die jungen Leute scheuen nicht zuletzt vor dem Trainingspensum zurück, das man leisten muss, wenn man diesen Sport ernsthaft betreiben möchte.“
Peter Schneider trainiert täglich bis zu zwei Stunden und fährt deshalb auch jeden Tag nach Feierabend Richtung Großrosseln, weil für ihn nur dort im Vereinsheim die Bedingungen herrschen, die es braucht: „Unsere Tische sind auf eine Betriebstemperatur von rund 32 Grad geheizt, das muss so sein, damit die Kugel richtig rollt.“
Seit dem frühen Tod seiner Frau Ursula, mit der er früher – sommers wie winters – so viel in Sachen Wohnwagen- Reisen unterwegs war, hat es ihn wieder an den (Billard-)Tisch gezogen. Hier kann er abschalten, vergessen und neue Kraft tanken. Überhaupt hat er die Fähigkeit, den Bestatteralltag schnell vergessen zu lassen – sehr wichtig in diesem Beruf.
Neben den eigenen Spielen und dem vielen Training haben er und seine Billardfreunde immer mal wieder Lust auf Weiterbildung. Und wo könnte diese besser und unterhaltsamer sein als beim amtierenden Deutschen Meister: „Die Spiele des BC Elversberg sind immer richtig gut, da kann man immer noch was lernen, mal ganz abgesehen davon, dass es auch richtig Spaß macht, den Profis über die Schulter zu schauen. Und als die kürzlich Meister wurden, wurde kräftig gefeiert.“
Ein kurzer Ausflug in die (nur für Laien natürlich) böhmischen Dörfer: „Beim Cadre ist der Tisch durch feine Kreidestriche in neun beziehungsweise sechs Felder eingeteilt. Zusätzlich werden am großen Tisch sogenannte Anker eingezeichnet. Innerhalb dieser Flächen gelten gesonderte Regeln. Aber die meistverbreitete und beliebteste Spielart beim Billard ist die freie Partie. Es bedeutet, dass der Spielball den Ball zwei und Ball drei berühren muss und zwar mittels nur eines Anstoßes. Der weitere Sinn dieses Spieles liegt in der Zusammenführung aller drei Bälle nach dem Stoß auf engstem Raum und zu einer Stellung, die das Weiterspielen ermöglicht. Im Billardspiel nennt man diese Vereinigung Systemspiel.“ Peter Schneider fasst das vermeintlich komplizierte anschaulich zusammen: „Kegel-Billard.“
Mag er viel lieber als das weiter verbreitete „Loch-Billard“, das Peter Schneider auf seine unnachahmliche Weise „Kneipen- und Krawallsport“ nennt. Von seiner Sportart und dem dort besonderen Lauf der Kugeln auf den beheizten Tischen kann er hingegen stundenlang erzählen und schwärmen, etwa von der „Königsdisziplin Einband“ oder wie sie im Verein jetzt kürzlich ein neues Turnier in der wettkampffreien Zeit etabliert haben und auch bei der Sponsorensuche recht erfolgreich waren: „Da kommt es schon mal vor, dass ich meine Bestatterkollegen freundlich aber bestimmt um Sponsorengelder bitte – oder auch die IKK Südwest und die Vereinigte Feuerbestattung Saar mit ins Boot hole. Wohl dem, der ein gutes Netzwerk und einen funktionierenden Betrieb hat, der diese Freiheiten lässt. Peter Schneider hat als Nachfolger längst seinen 36-jährigen Sohn Florian als Geschäftsführer im Bestattungsinstitut Peter Schneider etabliert, dort arbeitet auch seine Schwiegertochter mit. Insgesamt hat der Betrieb fünf Festangestellte – in Voll- und Teilzeit. Kurioserweise ist außer Peter Schneider niemand in der Familie billardaffin. Bleibt die Hoffnung, dass der Opa seinem Enkel Yanick (7) aufs rechte Pferd helfen kann…