Filigrane Holzarbeiten wie aus der Porzellanfabrik
Wow, die rote ist am schönsten. Oder doch das gelbe Exemplar? Die Entscheidung fällt schwer, denn die sofort ins Auge springenden Exponate sind ein ästhetischer Hochgenuss – und große Handwerkskunst! Für den Laien stellt sich dauerhaft die Frage: Wie macht der Mann das? Wieso lassen sich so feingliedrige Kunstwerke aus doch eher sprödem Holz formen? Und wie kommt man auf die Idee, als Holzarbeiter Glasbläsern und Porzellankünstlern die Schau zu stehlen? Viele Fragen, auf die Benedikt Maria „Ben“ Bohlinger viele überraschende und überzeugende Antworten weiß. Aber wer ist dieser Benedikt Bohlinger überhaupt? Ein ganz normaler Schreiner – zunächst einmal. Das war er, als er 1976 im elterlichen Betrieb eine Lehre anfangen konnte, der neun Jahre später die Meisterprüfung folgen sollte. Der Umbruch kam erst nach dem Tod der Eltern. Und mit dem Kunsthandwerk kamen auch andere Ansichten und Einsichten. Daraus resultierte dann der Verkauf von Firma und Elternhaus. Es sollten als Brotjob vier Jahre als Ausbildungsmeister in Diensten der Caritas folgen, dann knapp ein Jahr als Angestellter des Diakonischen Werkes, gefolgt von zwei Jahren Handwerkskammer Trier. Seit September 2014 ist er „Lehrwerkmeister“ im Schuldienst des Saarlandes. Seine Aufgabe ist es, Jugendliche auf eine Berufskarriere vorzubereiten: drei Tage in St. Wendel und zwei Tage in Lebach. Dort darf er Flüchtlinge in die hohe Kunst der Holzbearbeitung einweisen. Und Benedikt Bohlinger ist begeistert, wenn er erzählt, wie wissbegierig die 17- bis 20-jährigen Jugendlichen sind, die schon in jungen Jahren ein grausames Vertriebenenschicksal hinter sich haben. „Sie kleben mir an den Lippen, auch wenn die meisten von Ihnen noch kaum die deutsche Sprache beherrschen, aber es ist zu spüren, mit welch großem Interesse und einer nicht zu übersehenden Offenheit sie Neues erlernen möchten.“ Darü- ber hinaus ist Benedikt Bohlinger beeindruckt, wie höflich und zuvorkommend die meist aus Syrien geflüchteten jungen Menschen sind. Muss auch nicht sein, denn es gibt noch viele drängende Fragen zu seinem künstlerischen Hobby zu beantworten, das ihm in der Szene mittlerweile weltweites Renommee einbringt. Ein Experte, der es wissen muss, bezeichnet Benedikt Bohlinger als „einen der herausragenden Drechsler in Mitteleuropa“. Wenn das kein Kompliment aus berufenem Munde ist. Denn der, der dies sagt, ist Chefredakteur der Fachzeitschrift „HolzWerken“ und hat Benedikt Bohlinger und seinem Wirken Mitte 2014 eine beeindruckende Titelgeschichte gewidmet. Andreas Duhme gerät in seinem Editorial ins Schwärmen, wenn er über seinen Werkstattbericht im saarländischen Marpingen berichtet: „Es ist dabei nicht nur das unglaublich filigrane Erscheinungsbild seiner aus saftfrischem Ahorn gedrechselten Schalen, das sein Werk so hervorhebt. Es ist die Farbe, die den Unterschied macht. Ich hatte die Freude, den sympathischen – tja, was nun? – Handwerker und Künstler einen Tag lang in seiner Werkstatt zu besuchen. Unendlich viele Irrtümer und Fehlversuche, verdorbene Objekte und missratene Rezepturen hat Benedikt Bohlinger im Laufe der vergangenen zwölf Jahre hinter sich gebracht. Denn nicht nur das Drechseln, sondern auch die Farbgebung hat er sich von der Pike auf erarbeitet. Seine Irrtümer sind keine Schusseligkeiten. Sie sind notwendige Umwege, die die Ortskenntnis erhö- hen. Und welche Ortskenntnis Bohlinger mittlerweile hat! Niemand, den ich kenne, kennt sich so gut mit Farbe auf Holz aus.“ Dem Lob des Experten ist nichts hinzuzufügen, denn wenn man die Exponate in der Lehrwerkstatt in Von der Heydt selbst in Augenschein nimmt, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. An diesem Samstagmorgen haben sich fünf Männer in der Schreinerlehrwerkstatt des Wirtschaftsverbandes Holz und Kunststoff Saar eingefunden, um in entspannter Atmosphäre in kleinem Kreis eine fast vergessene Technik zu erlernen: Drechseln. Mit Schuppröhre, Meißel, Abstechstahl und Halbrundschaber werden erste Versuche gestartet, die sichtlich Spaß zu machen scheinen. Tischlermeister Dietrich Sieren, Bauingenieur Franz Schnabel, Instrumentenbauer Hans-Jürgen Friedling, der Arzt und Hobbybastler Manfred Clemens sowie Meisterschüler Jahn Hauprichs hören Benedikt Bohlinger genau zu, wenn dieser von den Möglichkeiten des Drechselns schwärmt. Besonders anschaulich lässt sich dies an den knallbunten Wunderschalen demonstrieren. Benedikt Bohlinger: „Im Englischen als ‚Greenwood turning‘ bezeichnet, nennt man es bei uns ‚Grünholz drechseln‘. Das heißt, es kommt nur möglichst saftfrisches Holz für die Bearbeitung infrage. Dieser Umstand erfordert die zügige Fertigstellung des Objektes. Während des Drechselvorganges kommt es schon zur Verformung. Das Holz tut, was es tut – es arbeitet.“ Faszinierend…
Weitere Infos:
www.benbowl.de